Boogie Woogie
Der Boogie Woogie ist eine der wichtigsten Entwicklungsstufen in der Jazzmusik. Der Boogie Woogie kommt unmittelbar aus der ländlichen Folklore. Da das Klavier anfänglich von Weissen haupsächlich
für die klassische Musik verwendet wurde, entwickelte sich erst nach dem Aufeinandertreffen von Schwarz und Weiss die Urform des Boogie Woogie: Der Ragtime-Pianostil. Später entstand aus dem
einfacheren Barrelhouse-Stil der echte Boogie Woogie. Seinen Namen fand dieser Pianostil in einer Aufnahme von Clarence Pinetop Smith aus dem Jahre 1928, dem "Pinetop's Boogie Woogie". Wenig
später nach Einspielen seiner Aufnahmen verstarb Pinetop Smith auf tragische Weise.
Die grossen Zeiten des Boogie Woogie waren die Jahre 1928-1930. In Amerika herrschte die Prohibition und in Chicago, eines der grossen bedeutenden Boogie- und Blueszentren, bestimmten die
Alkoholschmuggler und die Gangster den Stil der Lokale. Der bevorzugte Musikstil in den "Speak-Easies", den kleinen Flüsterkneipen, und den bei den sogenannten "House-Rent-Parties", veranstaltet
von Familien (um durch den Verkauf von Speisen und selbst gebrannten Getränken die Mietlasten zu mindern), hiess Boogie Woogie.
Jimmy Yancey, Meade Lux Lewis, Albert Ammons, Pete Johnson, Cripple Clarence Lofton Wesley Wallace, Cow Cow Davenport, Montana Taylor, Romeo Nelson, Hersal Thomas, Charlie Spand und andere waren
die Könige des Boogie Woogie.
Nach der grossen Wirtschaftskrise um 1930 war der Boogie Woogie in Amerika in Vergessenheit geraten. Die Pianisten gingen einer anderen Arbeit nach, Jazz war nicht gefragt. 1938 engagierte der
anerkannte Jazzkritiker John Hammond die Pianisten Albert Ammons, Pete Johnson und Meade Lux Lewis sowie den Bluesshouter Big Joe Turner für sein " Spirituals To Swing " Konzert in die Carnegie
Hall nach New York. Dieses Konzert läutete eine neue Boogie Woogie Renaissance ein. Das rollende, kraftvolle, mitreissende Spiel des Boogie Woogie Trios mit dem grossartigen Sänger Big Joe Turner
war die Overnight Sensation. In Amerika brach ein riesiges Boogie Woogie Fieber aus. Diese Begeisterung bedeutete auch die Akzeptanz des Boogie Woogie als eigenständige Musikform und verhalf
vielen bis anhin in den Ghettos spielenden Pianisten zu Ansehen, Erfolg und Popularität.
Diesmal erfasste die Woge auch die grossen Swing-Orchster. Tommy Dorsey hatte 1938 mit einem Swingarrangement über den "Pinetop's Boogie Woogie" einen Welterfolg und machte somit den Boogie
Woogie salonfähig.
Der Boogie Woogie ist die pianistische Form des Blues. Seither hat die Musik an Faszination noch dazu gewonnen - kraft der Eigenständigkeit und Frische seines musikalischen Grundmusters. Boogie
Woogie erfordert eine "maschinelle" linke Hand, die scharf akzentuierte, rollende, sich rhythmisch ständig wiederholende Bassfiguren spielt. Die rechte Hand improvisiert unaufhörlich wechselnde
Bluesvariationen mit Trillern, Tremoli, nur kurz wechselnde Melodiefiguren im Charakter einer Gegenstimme.
Ohne den Einfluss des Boogie Woogie wäre die heutige Musik kaum vorstellbar. Sowohl bei Rhythm & Blues, Rock & Roll , Country & Western, New Orleans Jazz und Swing, als auch bei der
Popmusik kann man im Hintergrund die rollenden Boogie Woogiebässe hören.
Shim Sham
Der Shim Sham ist ein Gruppentanz, der ursprünglich aus dem Steptanz kommt. Er enthält viele Elemente, welche die afrikanischen Wurzeln erkennen lassen. Er gehört sozusagen zum Basiswissen aller
Swing– und Stepptänzer und wurde früher oft gemeinsam mit dem Publikum nach einer Tanzshow als „Zugabe“ oder zum Finale einer Varietévorstellung getanzt. Hierzu begaben sich alle - Tänzer,
Kellner, Musiker und Zuschauer - auf die Tanzfläche und tanzten gemeinsam diesen Shim Sham. Dieser Tanz mußte daher einfach genug sein, um von allen schnell erlernt werden zu können. Shim Sham
gilt als die Nationalhymne der Steptänzer.
Charleston
Der Charleston ist ein afroamerikanischer Tanz, der seine Wurzeln in der Vermischung von afrikanischen und europäischen Tanzelementen durch die schwarzen Landarbeiter im Süden der Vereinigten
Staaten hat. Der dazugehörige Musikstil war in den "Roaring Twenties" der überschäumende Ausdruck der vorherrschenden Lebensfreude!
Der "Charleston" wurde zu einem der beliebtesten amerikanischen Modetänze der 20er Jahre in Deutschland, und zum Gesellschaftstanz der Weißen. Eine der bekanntesten Vertreterinen war Josephine
Baker, die 1927 mit ihrer "Charleston Jazzband" in Berlin gastierte.
Shag
Shag war der heißeste Tanz der College-Studenten in den 30er Jahren, weshalb manche Formen auch als Collegiate Shag bezeichnet werden. Shag ist einfach zu erlernen. Das Hüpfen und Kicken macht
unheimlich Spaß. Shag kann zu Musik in mittlerem und schnellerem Tempo getanzt werden. Meistens wurde Shag in geschlossener Position getanzt, besitzt aber auch eine Vielzahl von offenen und
Break-Away-Elementen.
Jitterbug Stroll
Der Jitterbug Stroll wurde 1992 von Ryan Francois auf ein Lied von Woody
Hermann "At the Woodchoppers ball" choreografiert. Quasi bereits auf dem Weg in seine Tanzstunde suchte er noch rasch ein Stück im Blues Schema um seinen Schülern ein paar Jazzsteps mitgeben zu
können, welches aber eigentlich viel zu lang war. Erst später (1998) spielte Steven Mitchell (amerikanischer Swingtänzer und Sänger) auf seiner CD ein Stück namens Jitterbug Stroll ein, dass
perfekt zur Choreographie passte und sogar die Ansagen der zu tanzenden Figuren enthielt. Seitdem ist das "Jahodihodi" aus der Swingwelt nicht mehr wegzudenken.
West-Coast-Swing
ist der Nationalstolz Kaliforniens. Wie es der Name schon sagt, findet dieser Tanz seinen Ursprung in der Swingfamilie. Es wird erzählt, dass der Tanz in den
1930er-Jahren zum ersten Mal im Savoy Ballroom, New York, aufgetaucht ist. Da Kameralinsen anfänglich keine Weitwinkel besassen, ist der Hollywood Filmindustrie dieser Tanz, wo die Frauen den
Platz wechselten und die Männer an Ort blieben, wie gerufen gekommen.
Der West-Coast-Swing ist in den ganzen Vereinigten-Staten stark verbreitet. Unter der aktuellen Popmusik hat er sich zu einem progressiven Paartanz entwickelt. Bewegungen aus Hip Hop, Jazztanz,
Latin etc. werden ins Tanzen integriert und an allen Anlässen und Turnieren in den USA gepflegt.
Mit (unbenannt) dem Jack&Jill, die wohl wichtigste Turnierform im West-Coast-Swing, wird zudem eine Führungsqualität erreicht, wie sie in anderen Tänzen nur selten anzutreffen ist.
Beim Jack&Jill wissen die Tänzer und Tänzerinnen im Vorfeld nicht mit welchem Partner sie tanzen werden. Auch die Musik ist eine Überraschung.
Das WCS - Fieber erfasst nun auch Europa. Es macht einfach Spass, sich so zu bewegen und auf aktuelle Musik zu tanzen.
Im WCS tanzt die Dame auf einer Linie “slot” entlang, während der Herr eher stationär bleibt und sich mehr innerhalb oder außerhalb dieser Linie, in Anpassung an die jeweils geführte Figur,
bewegt.
WCS kann zu jeder Musik im 4/4-Takt getanzt werden, sei es Soul, Funk, Rock and Roll, Pop oder Disco. Gegenwärtig erfährt WCS eine zunehmende Beliebtheit auch in Europa.
Balboa
Benannt ist der Tanz nach der Balboa-Peninsula-Halbinsel in Newport Beach (Kalifornien) bei Los Angeles, wo er entstanden ist.
Balboa ist ein Paartanz aus der Familie der Swing-Tänze, der erstmals in den 1930er- und 1940er-Jahren in Mode war und sich auch heutzutage wieder einiger Beliebtheit erfreut; so ist er auf
vielen regulären Lindy-Hop- und Boogie-Camps fester Bestandteil im Programm.
Ursprünglich wurde Balboa in meist 8 Zählzeiten (8-Count) in geschlossener Tanzhaltung getanzt und war durch trickreiche Fußarbeit gekennzeichnet.
Balboa ist aufgrund der sehr engen Tanzhaltung vor allem ideal bei voller Tanzfläche und macht Tanzen auf schnelle Musik besonders leicht, funktioniert aber auch bei langsameren Tempi. Bereichert
um öffnende Figuren, wie bei Boogie und Swing, wird Balboa zum Bal-Swing und besonders abwechslungsreich.
Lindy Hop
Lindy Hop lässt sich als ein Partnertanz definieren, der Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Amerika in Verbindung mit dem damals neuaufkommenden
Jazzstil des "Swing" entstand. Während der Blütezeit des Swing von Mitte der dreißiger bis zum Ende der vierziger Jahre entwickelte sich der Lindy Hop-Tanz zu einem Lebensstil, in dem die
amerikanischen Jugendlichen ihre eigene Kultur, ihre Interessen, Emotionen und Wünsche zum Ausdruck brachten (Pener 1999, 25). Das Zentrum des Lindy Hop-Tanzes bildete der berühmt gewordene
Savoy-Ballroom in Harlem. Im Gegensatz zu den damals verbreiteten Standardtänzen bot der Lindy Hop als Partnertanz die Möglichkeit zu Improvisationen und zur Entwicklung neuer Schritte und
Tanzbewegungen. 'Breakaways' und 'Swing-Outs' erlaubten den Partnern auch einzeln zu tanzen und individuelle Figuren auszuprobieren. Der Tanz selbst entstand aus mehreren populären Tänzen wie
z.B. dem Charleston, dem Two-step und dem Black Bottom. Ebenso wie die drei vorgenannten Tänze wurde der Lindy Hop Tanz von Schwarzen kreiert. Technisch gesehen basiert er auf Grundfiguren, die
zwei volle Takte umfassen (eight counts), während sich alle Nachfolger über 11/2 Takte erstrecken (six-counts).
Die ersten Lindy Hop Tänzer gehörten ausschließlich der schwarzen Bevölkerung an, so auch die Lindy Hopper im Savoy der zwanziger Jahre, zu denen Shorty George Snowden, Big Bea, Leroy "Stretch"
Jones, Little Bea und George "Twistmouth" Ganaway zählten. Diese Gruppe entwickelte den afrikanisch amerikanischen Tanzstil, indem sie die Paartanzhaltung zu lösen begann und einige improvisierte
Solo-Schritte einführte. Zwischen Swing-Musik und Lindy bestand eine große Nähe, da die Jazztänzer sich ganz konzentriert auf die musikalischen Vorgaben einließen. Für nahezu ein Jahrzehnt war
der Lindy Hop nur einer kleinen Gruppe, einer Art Folk-Avantgarde, vertraut und wurde von Amateurtänzern in den wenigen großen Städten aufgeführt.
Als nach der 1929 begonnenen Depression unter politisch veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen ein Aufschwung spürbar wurde, gelang auch dem Swing der Durchbruch in Amerika. Verantwortlich
dafür war Benny Goodmann mit seinem Orchester, der an der Westküste in Kalifornien die ersten großen Erfolge erzielte. Ende der dreißiger Jahre bildeten sich über hundert neue Swing Bands und
breiteten sich über das ganze Land aus. Parallel zu den Big Bands entstanden überall neue Ballhäuser und große Tanzsäle wie z.B. das Hollywood Palladium, das über tausend Paaren Platz zum Tanzen
bot.
Der Savoy-Ballroom, am 12. März 1926 in Harlem eröffnet, bildete das Zentrum des ursprünglichen Lindy Hop Tanzes. Er war der erste größere Tanzsaal, in dem schwarze und weiße Jugendliche und
Erwachsene ohne Rassenprobleme tanzen konnten. Vorher war dies nur in Harlem in kleineren Musik- und Tanzlokalen um die 133. Straße herum möglich gewesen (Günther 1980, 136). Man könnte diese
Orte auch als die Geburtsstätten der Aufhebung der Rassentrennung begreifen. Im Laufe der folgenden Jahre spielten über 250 der besten Jazz-Bands im Savoy. Cab Calloway und Duke Ellington
gehörten zu den ersten schwarzen Musikern, die für Innovationen sorgten. Ihnen folgten Jimmie Lunceford und Lucky Millinder, denen es bis dahin nur gestattet war, in schlechter bezahlten Clubs in
den schwarzen Vierteln aufzutreten.
Die Begeisterung für den Swing schlug sich auch in Swing-Wettbewerben nieder, so z.B. in einem von Jimmy Dorsey und Earl Hines durchgeführten Freiluft-Swingkonzert im Jahre 1938 in Chicago, das
über 100.000 Fans anzog und in seiner musikalischen Intensität mit den Woodstockfestival verglichen werden kann (Pener 1999, 25).
Eine Schlüsselrolle in der Entwicklung und Verbreitung des Lindy Hop spielte der legendäre Herbert White, auch Whitey oder Mac genannt. Als ein begeisterter Tänzer war ihm sehr früh bewußt,
welche Faszination der Lindy Hop Tanz ausüben konnte. Er hatte ein gutes Gespür für junge Leute und konnte auf Anhieb erkennen, ob jemand sich dazu eignete, ein guter Tänzer zu werden. Mit
ungeheurer Energie verfolgte er das Ziel, eine Tanzdynastie aufzubauen. Seine Haupttänzer waren Leon James und Frank Manning. Frank Manning galt als der beste Vertreter des Lindy Hop Tanzes. 1936
entwickelte er eine besondere Bewegung, den Luftsprung (aerial), der dem Lindy Hop ein neues Gesicht gab. Niemals zuvor hatte irgendjemand einen Partner in die Luft geworfen, herumgewirbelt und
wieder aufgefangen. Mit Manning gründete Whitey das erste Tanz-Ensemble, das den Tanz zu einem künstlerischen professionellen Akt umgestaltete.
Für die jährlich stattfindenden Wettbewerbe wählte er seine vier besten Paare aus: Leon James und Edith Mathews, Frank Manning und Maggie McMillian, William und Sarah Downes und Billy Hill und
Norma Miller. Ihr Erfolg überdauerte die nächsten sechzehn Jahre. Reisen von der Ostküste zur Westküste, durch mehrere Länder Europas wie England, Frankreich und die Schweiz, nach Australien und
Südamerika sorgten für die Verbreitung des Lindy Hop Tanzes und den weltweiten Erfolg des Ensembles. Innerhalb von fünf Jahren hatte Whitey es geschafft, den Lindy Hop von einer Tanzhallenaktion
zum größten Ereignis im Showbusiness zu verwandeln.
Auf dem Höhepunkt angelangt, stellte der Swing nicht nur eine Verbindung von Musik und Tanz dar, sondern hatte sich zu einem spezifischen Lebensstil herausgebildet. Pener spricht in diesem
Zusammenhang von der ersten echten Jugendkultur auf dem amerikanischen Unterhaltungssektor (Pener 1999, 25). Dies bestätigt eine von Lewis A. Erenberg in den 1990er Jahren gestartete Umfrage von
über dreihundert Personen (Erenberg 1998, XIV). John Gennari betont, dass die Swing-Jugend durch ihre Kenntnis der Musik und der dazugehörigen Tanzformen diese Art der Kunst demokratisierte und
dafür sorgte, die alten, patriarchalischen Überreste der bis dahin vorherrschenden Kulturvorstellungen zu überwinden (vgl. Gennari ) Die unter den Jugendlichen immer größer werdende Begeisterung
für die Swing-Musik war auch ein Ausdruck für die Wiederbelebung der nationalen Kultur Amerikas. Swing wurde als ein Phänomen begriffen, das die Kluft zwischen Rassen und Klassen zu überwinden
vermochte. Die schwarzen Big Bands spielten für das Selbstbewusstsein der schwarzen Bevölkerung eine mächtige Rolle und die einzelnen Musiker wurden für die schwarzen Jugendlichen zu beliebten
Helden (Erenberg 1998, XV).
Bevor der Swing den Gipfel seines Ruhms erreichte, protestierten viele gegen diesen ekstatischen Tanz, der auch als Raserei oder Wahnsinn empfunden und diffamiert wurde. Psychologen warnten vor
einer bevorstehenden Massenhysterie. Auch der Begriff Faschismus wurde im Kontext mit der Swing-Musik gebraucht. Damit sollte die massenpsychologische Wirkung der Musik zum Ausdruck gebracht
werden.
Andere Kritiker verstanden den Swing als positiven Ausdruck der modernen Jugend. Einige Verteidiger argumentierten, dass er eine demokratische Form künstlerischen Ausdrucks darstelle. Wieder
andere sprachen von einer nationalen Kunstform, die zwar von Schwarzen geschaffen worden sei, sich dann aber in der gesamten pluralistischen Gesellschaft ausgebreitet habe. Schließlich waren sich
Verteidiger wie Angreifer darüber einig, dass der Swing der Mittelpunkt der nationalen Jugendkultur Amerikas sei und Klassenunterschiede, ethnische und Rassenunterschiede zu überwinden trachte
(Erenberg 1998, 37/38).
Wie auch in späteren Jugendkulturen entwickelte der Swing seine eigene Sprache wie sie von Cab Calloway in seinem "Hepster's Dictionary" verbreitet wurde. Auch eine spezifische Kleidung, über die
man sich als Swing- Anhänger definierte, durfte nicht fehlen. Die Kleider waren mit Schmetterlings- oder Puffärmeln ausgestattet, die Rocksaumlänge erreichte wieder die Fußenkel. Die jungen
Mädchen legten sehr viel Wert darauf, feminin auszusehen, daher waren auch die Halsausschnitte tiefer als vorher. Es herrschte große Nachfrage nach Assessoires wie Pelzen, Chinchillas, Persischen
Lammfellen und Silberfüchsen. Ledertaschen wurden modern. Die Schuhindustrie bot den Frauen eine große Auswahl. Schnürschuhe, flache Schuhe und Pumps durften ebenso getragen werden wie Schuhe mit
breiten dicken Absätzen (vgl. Nolan o.J.). In der körperbetonten Kleidung wirkten die Frauen sehr anziehend, ihr Aussehen verlangte Achtung und Respekt. Die wachsende Unabhängigkeit der Frauen
drückte sich in ihrem Kleidungsstil aus.
Unter den Jazzern waren doppelreihig geknöpfte Jacken, breite und bewegliche Schulterpartien und Ärmel, die bis zu den Handgelenken reichten, ein "Muss". Männliche Eleganz verlangte nach Jacken
mit breiten Jackettumschlägen und schmalen Taillen (vgl. Nolan o.J.). Smokings und weiße Schlipse gehörten zu dem bevorzugten Outfit, dazu breite Hosenaufschläge und zweifarbige Schuhe zu dem
sogenannten Hollywood-Style. Die einzelnen Musiker versuchten, sich durch spezielle Besonderheiten von den anderen abzuheben. Die Kleidung sollte Selbstvertrauen ausdrücken, wirkte jedoch
manchmal prahlerisch. Dennoch, so Pener, erwartete man von jemanden, der diese Kleidung zur Schau trug, Höflichkeit, Kultiviertheit, Eleganz und korrektes Benehmen.
Die Swing-Revivals der 1980er und 1990er Jahre knüpft gerade an diesen Gewohnheiten wieder an. Nach Pener kommen für die Wiedergeburt des Swing und des Lindy Hop Tanzes unterschiedliche Gruppen
in Frage. Freunde der Rockabilly-Musik, Ska-Fanatiker und frühere Punk-Rocker entdeckten in Auseinandersetzung mit den Ursprüngen ihrer Musikvorlieben die Swing-Musik wieder, darüber hinaus gibt
es nach wie vor einige Musiker und Lindy Hoppers aus der Swing-Ära der dreißiger und vierziger Jahre. Gemeinsam ist bei alten wie jungen Swing-Anhängern der Wunsch, die originale Swing-Musik
wieder zu beleben und mit ihr die Frische und die Kraft, die von dieser Musik ausgeht, zu spüren.
Wenn der Swing auch über die Jahrzehnte hin nicht ganz verschwunden war, begann die Neo-Swing-Szene als eine spezifische kulturelle Bewegung erst Anfang der 1980er Jahre. Die ersten Vorboten der
heutigen Versessenheit nach Swingmusik kamen aus London, wo Ray Gelato und die Chevalier Brothers ein Album über Swing-Musik von Louis Jordan und Cab Calloway herausbrachten.
In Amerika begann die Swing-Renaissance zunächst an der Westküste. 1989 gab Eddie Nichol's Royal Crown Revue, eine ehemalige Punk-Band von Los Angeles, das erste Swing-Konzert. Sie hatte sich
zunächst mit dem jump Blues von Louis Prima und Louis Jordan auseinandergesetzt und sich dann allmählich mit den wichtigsten Swing-Musikern beschäftigt. Ausgehend von Rockabilly, Blues und Punk
schufen Nichols und seine Band einen Sound, den sie "hardboiled swing" oder "gangster bop" nannten. Im Gegensatz zu vielen Bands, die sich auf das Erlernen der alten Hits aus der Swing-Aera
beschränkten, kreierte die Royal Crown Revue eigene Texte und originale Musik. Sie verband Elemente ihrer Punk-Musik mit dem Swing und erreichten dadurch die Aufmerksamkeit der jüngeren
Generation. Bei ihren Auftritten in verschiedenen Städten entschieden sie sich, nicht in Jazz-Clubs, sondern in Rock-Clubs zu spielen.
Viele Neo-Swing-Bands sind dem Beispiel der Royal Crown Band gefolgt. In San Francisco wurde die Kleidung alsbald ebenso wichtig wie die Musik. Die Besucher der Swing-Clubs überboten sich darin,
Kleider aus den vierziger Jahren aufzutreiben oder den Stil nachzuahmen. Pener schreibt, dass die jungen Leute das Tragen dieser Kleidung als eine Art Rebellion verstanden und sich bewusst von
der durch Piercing und Tattoo bestimmten Mode der Zeit absetzen wollten (Pener 1999, 46). Die jungen Frauen versuchten mit dieser Kleidung ihre feminine Seite zu betonen, während die jungen
Männer ihr maskulines Verhalten unterstrichen.
Parallel zu den Musikern suchte auch eine kleine Gruppe von Tänzern nach den Wurzeln des Swing. Konnten sich die Musiker an alten Plattenaufnahmen orientieren, blieb den Tänzern nur eine kleine
Auswahl an Filmen, auf denen sie den Savoy-Stil des Lindy Hop studieren konnten. In New York existierte noch ein loses Netzwerk ehemaliger Savoy-Tänzer, das nun von den neuen begeisterten
Swing-Anhängern aufgespürt wurde 1985 schlossen sich elf Swing-Tänzer zusammen und gründeten die New York Swing –Tanz-Gesellschaft.. Der Cat Club bot ihnen Auftrittmöglichkeiten an. Manning,
ehemaliges Mitglied der Whitey´s Lindy Hoppers, übernahm die Rolle des Mentors. Es dauerte nicht lange, bis der Club zu einer zentralen Anlaufstelle für Swing-Tänzer auf der ganzen Welt
wurde.
Auch auf San Francisco griff das Swing-Tanz-Fieber über. Dort gründete sich 1994 die Lindy group Work That Skirt, während die weltbekannte Truppe Flyin' Lindy Hoppers nach Ventura zog, wo auch
Big Bad Voodoo Daddy gastierte.
Im Laufe der 1990er Jahre wurden in vielen Bundesstaaten der USA Swing-Clubs und Tanz-Klassen eröffnet (vgl. Pener 1999, 196ff.). Auch an die Tradition des Wettbewerbes unter verschiedenen
Tanz-Partnern wurde wieder angeknüpft. Auf internationaler Ebene sind Swing-Clubs und Tanzklassen in folgenden Ländern bekannt geworden: Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Japan,
Niederlande, Neu-Seeland, Singapure, Schweden, Schweiz und Groß-Britannien (vgl. Pener 1999, 221-224). Per Internet sind heute viele Adressen abzurufen, Termine zu Veranstaltungen werden bekannt
gegeben, Buch-, Film- und Plattenempfehlungen weitergeleitet.
von: Prof. Dr. Erika Funk-Hennigs